Am 04.03. haben wir für alle Interessierten eine Infostunde zu Essen to go ohne Verpackungsmüll gegeben. Dabei sind wir auf die Problematik von Einwegplastikverpackungen eingegangen, haben anschließend verschiedene Alternativen aufgezeigt und anhand von lokalen Beispielen aus der Praxis vorgestellt. In diesem Artikel möchten wir euch nochmals einen Überblick über die Thematik geben. Wir werden aufzeigen warum Einwegverpackungen problematisch sind, Alternativen abwägen und Gastronomiebetriebe von ihren Erfahrungen mit Mehrwegsystemen berichten lassen.
Warum nicht Einweg?
Die Benutzung von Einwegverpackungen aus Plastik kommt mit drei grundlegenden Problematiken daher:
- die Herstellung, sowie der entstehende Müll sind schlecht für die Umwelt,
- die Gesetzgebung möchte den Verbrauch von Plastik reduzieren und leitet daher ein Verbot für bestimmte Plastikprodukte ein und
- Verbraucher:innen werden zunehmend für die Plastikproblematik sensibilisiert und vermeiden daher solche Produkte.
Allein die Herstellung von Plastik ist für circa 13 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich (Appenzeller et al. 2019). Wenn wir von nun an alle unseren Plastikkonsum senken würden – den Kaffee statt im Einwegbecher in der Tasse oder im mitgebrachten Becher trinken, das Eis anstelle des Bechers in der Waffel bestellen würden – könnte der weltweite CO2-Ausstoß ohne große Verzichte um ein beachtliches Maß gesenkt werden. Aber nicht nur die Herstellung, sondern auch das Plastik selbst stellt ein großes Problem für unsere Umwelt dar: der größte Plastikanteil (etwa 80 %) wird nicht recycelt oder verbrannt, sondern landet in riesigen Mülldeponien oder irgendwo in der Natur (Geyer et al. 2017). Wenn sich dieser Trend fortsetzen wird, werden Studien zufolge in 30 Jahren rund zwölf Milliarden Tonnen Plastikmüll unseren Planten bedecken (Geyer et al. 2017).
Auch für unsere Gesundheit stellt Plastik ein großes Risiko dar: die Problematik von „Mikroplastik“ oder „Weichmachern“ ist mittlerweile kein Geheimnis mehr.
Zwei Entwicklungen haben sich aus diesem Trend ergeben: auf der einen Seite versucht die Regierung dem Problem durch Plastikverbote und Einschränkungen entgegenzuwirken und auf der anderen Seite steht die Bevölkerung Plastik zunehmend kritisch gegenüber. Ab Anfang Juli tritt beispielsweise die Einwegkunststoffverbotsverordnung in ganz Europa in Kraft, danach dürfen ab dem 3. Juli 2021 keine Einwegplastikverpackungen (unter anderem Einwegbecher, Plastikbesteck oder Styroporbehälter) in den Verkehr gebracht werden. Ein weiterer Gesetzesentwurf soll außerdem ab 2023 die Gastronomie verpflichten, Mehrwegverpackungen als Alternative zu Einwegverpackungen anzubieten. In der Bevölkerung kann zudem der Trend zu plastikfreien Verpackungen beobachtet werden. So zeigen Studien, dass Europaweit mehr als 90% bei zwei Verpackungsoptionen gleicher Produktqualität sich für die plastikfreie Variante entscheiden würden und zwei Drittel von ihnen sogar bereit wären, dafür einen Aufpreis von 12% zu zahlen (DS Smith 2019). In Deutschland begrüßen mehr als die Hälfte der Bürger:innen das Verbot von Einweg-to-go-Verpackungen (57%) und die Einführung von Pfandsystemen (55%) (Verbraucherzentrale Bundesverband und Kantar EMNID 2018).
Welche Alternativen gibt es?
Wir möchten euch in diesem Artikel vier Alternativen vorstellen:
- Die Möglichkeit, sich sein Essen selbst an z.B. einer „Verpackungsstation“ in eigene Behälter umzufüllen.
- Die hygienisch unbedenkliche Befüllung von mitgebrachten Behältern
- Die Nutzung von Pfandbehältern ohne externen Anbieter
- Kommerzielle Mehrwegpfandsysteme
Kunden füllen sich ihr Essen selbst an einer „Verpackungsstation“ um
Bei dieser Variante bringst du deinen eigenen Behälter mit und füllst dir dein Essen eigenständig an einem „Umfüllort“ um. Diese Variante ist wahrscheinlich die einfachste Lösung, da sie sehr simpel umzusetzen ist und keine Investitionskosten anfallen oder aufwändige Hygienevorschriften eingehalten werden müssen. Allerdings braucht es einen geeigneten „Umfüllort“ und ein Rückgabesystem für das benutzte Geschirr. Pro Essen wird dann auch ein Spülvorgang für den Betrieb fällig und je nach Essen kann die Ästhetik und die Trennung der Essenskomponenten beim Umfüllen verloren gehen. Das Studierendenwerk der Mensa Adenauerring berichtet an dieser Stelle über die dortigen Erfahrungen:
Erfahrungen aus der Mensa am Adenauerring (Studierendenwerk Karlsruhe)
"Im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie versuchen wir jegliche Kunststoffe zu meiden und setzen diese nur ein, wo es aus hygienischen oder anderen Gründen zwingend notwendig ist. Gerichte to go können von der Kundschaft entweder an einer Verpackungsstation in eigene Behälter selbstständig umgefüllt werden oder in einer nachhaltigen Verpackung für einen Umweltbeitrag von 50 Cent gekauft werden. Mit diesem relativ hohen Beitrag möchten wir einen Anreiz schaffen, die umweltfreundliche Variante zu wählen. Auf die „Umfüllvariante“ weist eine Information bei der Speiseausgabe hin. Das Essen wird hierfür auf einem Teller ausgegeben und vom Kunden/von der Kundin eigenständig an der Verpackstation umgefüllt. Anschließend wird der leere Teller wieder zurückgegeben.
Das System kommt bei der Kundschaft an: Fast die Hälfte aller Student:innen nutzt die verpackungsfreie Möglichkeit in der Mensa am Adenauerring, um ihr Essen zu genießen."
Die hygienische Befüllung von kundeneigenen Behältnissen
Seit Corona haben leider viele Lebensmittelbetriebe das Befüllen von mitgebrachten Behältnissen mit der Begründung der verschärften Hygienerichtlinien eingestellt. Aber wir können glücklicherweise sagen, dass die Gesetzgebung die Verantwortung des Lebensmittelunternehmers auf die einwandfreie Beschaffenheit des Lebensmittels bis zum Einfüllvorgang beschränkt. Da das Behältnis Eigentum der Kundschaft ist und auf deren expliziter Veranlassung befüllt wird, trägt das Unternehmen keine Verantwortung für die Eignung oder Beschaffenheit des Behälters. Trotzdem müssen natürlich gewisse Hygienevorschriften eingehalten werden, die ihr hier auf der Seite des Lebensmittelverbands ausführlich finden könnt. Die Kulturküche nutzt diese Möglichkeit und berichtet an dieser Stelle von ihren Erfahrungen:
Erfahrungen aus der Kulturküche
„Das Mitbringen von eigenen Verpackungen beim Takeaway wird von uns großflächig beworben und kommt auch gut bei unserer Kundschaft an: 90-95% aller Gäste bringen ihre eigene Verpackung mit und befürworten unsere Nachhaltigkeitsstrategie. Der mitgebrachte Behälter wird dann (ohne Deckel) auf ein dafür vorgesehenes Tablett gestellt und anschließend von uns in der Küche befüllt und zurückgebracht. Somit müssen wir das Gefäß zu keiner Zeit selber anfassen. Zu Beginn hat dieser Prozess etwas länger gedauert, allerdings war das eher eine Frage der Routine und seitdem sich die entwickelt hat, funktioniert das System sehr gut. Gäste, die keinen Behälter mitgebracht haben, können sich für 3€ Pfand einen bei uns ausleihen. Allerdings ist das noch keine optimale Lösung, denn falls der Behälter nicht zurückgebracht wird, entstehen zusätzliche Kosten für uns. Auf der anderen Seite wollten wir einen Betrag wählen, den die Gäste auch bereit sind zu zahlen.“
Mehrwegpfandsysteme ohne externen Anbieter
Bei der Variante des Mehrwegpfandsystems ohne externen Partner schafft sich der Betrieb passende Essensbehälter an und gibt diese gegen ein Pfand an seine Gäste aus. Ausführliche Informationen zu dieser Lösung können auf der Seite Essen in Mehrweg nachgelesen werden. Der Vorteil hierbei ist, dass durch das Rückgabesystem eine stärkere Kund:innenbindung hergestellt wird und keine Vertragsbindung an einen externen Anbieter entsteht. Allerdings fallen zu Beginn die Anschaffungskosten für die Behälter an und wie die Erfahrungen der Kulturküche gezeigt haben, ist es schwierig einen Pfandbetrag festzulegen, der die Verluste bei eventueller Nichtrückgabe abdeckt aber gleichzeitig nicht zu hoch für die Gäste ist. Dieser Punkt kann jedoch mit einem Mehrwegpfandsystem durch einen externen Anbieter umgangen werden.
Mehrwegpfandsystem mit externem Anbieter
Es gibt schon einige Anbieter von Mehrwegpfandsystemen, die in der Gastronomie eingesetzt werden können. Eine detaillierte Auflistung von Anbietern für sowohl Becher, als auch Essensverpackungen, inklusive deren Angebot, System und Kosten kann unserer PowerPoint über „Essen to go ohne Verpackungsmüll“ entnommen werden. Das Vorgehen ist ganz einfach. Wir erklären es euch hier am Beispiel des Anbieters Vytal, bei dem in Karlsruhe schon ein paar Betriebe mitmachen. Nachdem sich der Betrieb beim Mehrweganbieter registriert hat, werden die Schalen und passendes Marketingmaterial von VYTAL zur Verfügung gestellt und der Betrieb wird in der App gelistet und auf Social Media vorgestellt. Du als Kund:in lädst dir die kostenlose App herunter (oder kaufst eine Mitgliedskarte für einmalig 10 €) und bestellst dein Essen in einer Mehrwegverpackung. Der Betrieb befüllt anschließend die Schalen und scannt den QR Code der Schale und deinen eigenen Code mit der VYTAL Partner App ein. Anschließend hast Du 14 Tage Zeit, um die Schale in diesem oder einem Partnerbetrieb zurückzubringen. Die App erinnert dich mehrmals an die Rückgabe. Gibst Du die Schalen nicht innerhalb von 14 Tagen zurück, werden 10 € fällig und die Schale wird quasi gekauft. Diese Variante ist somit für die Gäste kostenlos und pfandfrei, sofern die Schalen rechtzeitig zurückgebracht werden. Auch für den Betrieb fällt kein monatlicher Beitrag an, sondern lediglich eine Gebühr von 15-20 Cent pro befüllter Schale und eine Startgebühr von 50-100€ Durch das Pfandsystem kann die Kund:innenbindung gesteigert werden und durch die Listung in der App und Social Media gewinnt der Betrieb an öffentlicher Präsenz.
Für mehr Infos über das Verpackungssystem von VYTAL haben wir hier ein Video aufgenommen, in dem wir das System testen und erklären. Das Restaurant L’Incontro ist seit einiger Zeit Mitglied bei VYTAL und berichtet hier über seine Erfahrungen:
Erfahrungen vom L’Incontro
„Wir nutzen vier verschiedene Schalengrößen von VYTAL und sind bis jetzt sehr begeistert, denn sie sind sowohl auslaufsicher, als auch wärmeisolierend, was ein großer Vorteil für beispielsweise unsere Nudel-Soßen-Gerichte gegenüber herkömmlichen Plastikverpackungen ist. Für den Verkauf unserer Pizzen nutzen wir einen mit Alu beschichteten wiederverwendbaren Pizzakarton, in dem die Pizza auf ein dünnes Papier gelegt wird. Durch die Wiederverwendung dieser Kartons vermeiden wir nicht nur eine Menge Müll, sondern sparen auch Geld. Somit ist die Mehrweglösung für uns sogar kostengünstiger als die Einwegverpackungen, die wir zuvor nutzten. Ein weiterer Tipp von mir: Wir nutzen Nudeln als Strohhalme für kalte Getränke. Das vermeidet Plastik, kommt gut bei den Gästen an und ist sehr kostengünstig. Ich denke, die erhöhte Nachfrage nach Essen to go wird es auch weiterhin nach Corona geben, daher ist der Umstieg auf ein Mehrwegsystem für mich keine kurzzeitige Investition, um dem erhöhten Bedarf während der Pandemie gerecht zu werden, sondern eine langfristige Umstellung und Investition in eine klimafreundliche Zukunft.“
Quellen:
Appenzeller; Hecher; Sack (2019): Plastikatlas. 3. Aufl.
DS Smith (2019): Mehrheit der europäischen Verbraucher würde Aufpreis für weniger Plastik in der Verpackung zahlen. Online verfügbar unter https://www.dssmith.com/de/packaging/ueberuns/media/newspressemitteilungen/2019/11/mehrheit-der-europaischen-verbraucher-wurde-aufpreis-furweniger-plastik-in-der-verpackung-zahlen.
Geyer, R.; Jambeck, J.; Law, K. L. (2017): Production, use, and fate of all plastics ever made. In: Science Advances (3).
Verbraucherzentrale Bundesverband; Kantar EMNID (2018): Verbraucherbefragung EinwegPlastik und Verpackung II. Online verfügbar unter https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2018/11/14/infografiken_verbraucherbefra gung_einweg-plastik_und_verpackung_ii.pdf.